Der in Wien promovierte Jurist Sommer lebte bis zu seinem 50. Lebensjahr als erfolgreicher Anwalt in Karlsbad, war von 1927 bis 1938 nebenher Theaterkritiker und setzte sich als Publizist entschieden für eine Zusammenarbeit zwischen tschechischer und deutschsprachiger Kultur ein. Nach dem Fanal des Berliner Reichstagsbrands begann Sommer Geschichtsromane über Krisenepochen in Europa zu schreiben. Der jüdischgebürtige Agnostiker musste 1938 vor den Hitlerdeutschen nach London fliehen und hier als Schriftsteller im Hauptberuf leben. Obwohl Sommer sich weder als Österreicher noch als Deutscher oder Sudetendeutscher empfand, sondern als deutschsprachiger Čechoslovak und obwohl Arnošt Sommer mit seinem Roman Mnich tourainský 1946 als erster deutschsprachiger Gegenwartsschriftsteller nach dem Krieg in Prag gedruckt wurde, gelang ihm die Wiedereinbürgerung in die ČSR nicht. 1951 erhielt er die britische Staatsangehörigkeit, was seine tödliche Krankheit leider nicht mehr wesentlich beeinflusste.
Aus dem jüdischen Kleinbürgertum der mährischen Provinz gingen in Sommers Generation viele deutschsprachige Schriftsteller hervor, so Oskar Jellinek, Hugo Sonnenschein, Ernst Weiß, Ludwig Winder, Hermann Ungar und Max Zweig. Die geistig anspruchsvolle Schulausbildung, die erlebten Diskrepanzen zwischen den Bevölkerungsgruppen, die autoritären Väter, die die Kinder nicht nur zu früher Defensiv-Individualisierung zwingen, sondern durch die meist verfehlte Glaubenserziehung auch typische Säkularisierungseffekte auslösen, nämlich religiöse Inbrunst nicht auf einen tradierten Gott, sondern auf die Künste und auf Geistiges zu lenken – solche Faktoren begünstigen das Entstehen künstlerisch ausgerichteter Lebensprofile. Die jüdische Gemeinde in Iglau, in der Ernst Sommer 1888 in der Kaufmannsfamilie Jakob und Sofie Sommer, geb. Moritz, geboren wurde, umfasste weit unter 1% der Bevölkerung. Der Junge litt teilweise unter chronischen Angstzuständen, die mit dem Vater und der Schule zusammenzuhängen schienen; in Krisensituationen des Lebens zeigen sich dann durchgängig Angstneurosen. Eine zweite, freiere Sozialisationsphase ergab sich 1907 bis 1912 beim Studium in Wien. Der Jura-Student veröffentlichte einige Gedichte und schrieb an seinem autobiographisch gefärbten Roman Gideons Auszug, der im Jahr seiner Promotion 1912 in Wien gedruckt wurde. Der Erzähler lässt die jungen Zionisten in dem von Schnitzler und Rilkes Malte beeinflussten Roman scheitern, Gideon auf dem Weg nach Palästina sterben.
Während seiner weiteren Ausbildung an Gerichten in Iglau lernte Sommer nicht nur seine spätere Frau, Leontine Illowy (Heirat 1919) kennen, sondern schrieb auch die groteske Erzählung Der Fall des Bezirksrichters Fröhlich, in der er zu einer distanzierteren Erzählsprache findet, geschult an den Satiren Karl Kraus`, dessen Werk er 1921 vier Essays widmen wird. 1914 versuchte der junge Jurist, in Wien Fuß zu fassen, arbeitete in verschiedenen tschechoslowakischen Kleinstädten und musste zwischen 1915 und 1918 beim österreichischen Militär Dienst tun. In der Novelle Der Simulant stellt Sommer ein Erlebnis in einem Wiener Militärhospital dar: Ein jüdischer Kriegsdienstverweigerer wird mit Elektroschocks gefoltert und erhängt sich. Die Perspektive, an Schnitzler geschult, wird aus der Sicht des Opfers gestaltet. Der Text erschien 1920 in 14 Zeitungsfortsetzungen.
Den großen Einfluss, den Martin Buber auf Sommer hatte, zeigt seine Erzählung Der Mann, der nicht zu fragen versteht (1919) und der religionsphilosophische Essay Sieg der Seele (1919). Neben kunstphilosophischen Essays aus dieser Zeit sind vor allem Texte zur Massenpsychologie wichtig. Gustave Le Bons Buch war in Wien als Psychologie der Massen 1908 erschienen und wirkte im Umkreis des geistigen Wien bis in die 30er Jahre hinein (Broch, Freud, Musil, Canetti u. a.) Sommer war nach Hermann Brochs Die Straße (1918) anscheinend der früheste kreative Rezipient Le Bons. Sein Aufsatz Zur Psychologie der Massen erschien 1919 in Zeitschriften in Wien, Berlin und Teplitz-Schönau. Die praktische Umsetzung erfolgte in der Erzählung Der Aufruhr (1920). Die Magisterarbeit von Stefan Bauer zeigt zum ersten Mal, dass es sich hier um eine erzählerische Analyse des bevorstehenden Massenfaschismus in Italien, Deutschland, Spanien und Österreich handelt. Mit großer Berechtigung wurde Der Aufruhr zweimal neu herausgegeben (von Vĕra Macháčková-Riegerová 1976 und von Dieter Sudhof/Michael M. Schardt 1992). Die reichsdeutsche, sudetendeutsche und österreichische Variante des Faschismus mit antisemitischem Schwerpunkt analysierte der Autor hellsichtig in dem Zeitschriftenbeitrag Hakenkreuz (1922).
Während seiner Zeit in Karlsbad (1920-1938) arbeitete Ernst Sommer als selbstständiger Rechtsanwalt und schrieb Beiträge für die sozialdemokratische Tageszeitung Volkswille im Egerland. Er setzte sich durchgängig für die demokratische Integration zwischen der tschechischen und der deutschsprachigen Kultur ein und beschäftigte sich mit der Landesgeschichte seit Jan Hus. Die kulturpolitische Zeitschrift Die Provinz, deren Mitherausgeber Sommer war, versuchte in acht Heften 1924 mit tschechischen und deutschsprachigen Autoren ein integratives Programm zu verwirklichen, das ein Gegengewicht zum Kulturmonopol der Metropolen bilden sollte. Es stellte sich kein Erfolg ein. Diese Zeitschrift steht heute in keiner Bibliothek. Als Mitglied der Karlsbader Stadtvertretung arbeitete Sommer für die örtlichen Kulturbelange und veröffentlichte auch regelmäßig Theaterkritiken.
Der Berliner Reichstagsbrand und die Exilanten in der ČSR brachten ihn im Sommer 1933 zum epischen Schreiben zurück. Historische Romane mit aktualisierenden parabolischen Zügen bringen Unrechts-Regime in Frankreich und Spanien zum Ende des Mittelalters in Erinnerung. Die Vernichtung des europäischen Templer-Ordens durch die Machtgier des französischen Königs 1307 stellt Sommer in seinem Meisterwerk Die Templer dar. Das Buch konnte noch Ende 1934 heimlich in Berlin erscheinen, erschien 1936 auf Tschechisch (und wieder 1994) in Prag und 1968 in Bratislava auf Slowakisch. Sommer braucht hier den Vergleich mit den historischen Romanen Lion Feuchtwangers und Heinrich Manns nicht zu scheuen.
Der Roman Botschaft aus Granada über die Vertreibung der jüdischgläubigen Bevölkerung von der iberischen Halbinsel Ende des 15. Jahrhunderts zog einen relativen Erfolg nach sich. Diese Warnung vor einer Zerstörung historisch gewachsener multikultureller Regionaleinheiten erschien kurz vor der Zerstörung der ČSR durch das Deutsche Reich und wurde noch im Erscheinungsjahr 1937 als Poselství z Granady auch in Prag veröffentlicht, 1938 auf Ungarisch in Budapest.
Als „unsichtbare Republik“ von Weltbürgern stellte Sommer die europäischen Humanisten in seiner Biographie romancée Ein Mönch aus der Touraine dar. Seine Vorliebe für die Bücher Franςois Rabelais‘ hatte er von Karl Kraus übernommen. Das Buch war fertig gesetzt und sollte 1939 in Ostrau erscheinen, was durch den Einmarsch deutscher Soldaten verhindert wurde. So erschien es zuerst auf Schwedisch 1940 in Stockholm, 1946 auf Tschechisch in Prag (Aufl.: 20 000), 1953 in Nürnberg und 1954 in Rudolstadt als Doktor Rabelais.
Die zweibändige Rabelais-Übersetzung von Gottlob Regis befand sich am 5. November 1938 in Sommers Fluchtgepäck nach London. Ein privater englischer Hilfsfond ermöglichte die Ausreise. Die tschechischen Staatsbürger wurden, auch während des Kriegs, als "friendly aliens" behandelt. Da Sommer nicht als Anwalt arbeiten durfte, war er auf publizistisches Schreiben angewiesen und erhielt von der tschechoslowakischen Exilregierung in London und vom PEN-Club geringe Unterstützungszahlungen. Als die deutschsprachigen Exil-Tschechoslowaken in England sich spalteten in Gegner und Befürworter des Münchener Abkommens (am 5.8.1942 von Großbritannien widerrufen), schrieb Sommer seinen fast abgeschlossenen Gegenwarts-Exil-Roman Der gute König Wenzeslaus (in Anspielung auf das Weihnachtslied Good King Wenceslas) nicht zu Ende.
Auch mit dem religionsgeschichtlichen Roman-Essay Hillel, den Johannes Urzidil auf dem nordamerikanischen Büchermarkt unterzubringen suchte, hatte der Autor kein Glück, er blieb ungedruckt. Gegen ideologischen Fanatismus und für interkulturelles Zusammenleben setzte sich Sommer wiederum in dem Erzählbericht Into Exile. The History of the Counter-Reformation in Bohemia (1620-1650) ein.
1942 erfuhr Ernst Sommer vom Tod seiner Mutter im Ghetto Theresienstadt. Über die polnische Exilregierung und den Jewish World Congress beschaffte er sich Informationen über den Einsatz von Zyklon B bei den deutschen Mordaktionen in Polen und Russland. Am 19.12.1942 erschien seine Erzählung Die Gaskammer in London, hier werden Weihnachtssentimentalität und Mörderbestialität gegenübergestellt.
Die romanartige Erzählung Revolte der Heiligen wurde Sommers erfolgreichstes Buch. Es wurde nicht vom Aufstand jüdischer Widerstandsgruppen im Warschauer Ghetto im April 1943 angeregt, sondern nachträglich den Kämpfern gewidmet. Der Handlungsort ähnelt dem Ghetto von Lodz. Die Bezeichnung „Heilige“ (die in der österreichischen Ausgabe aus religiösen Gründen zu „Wehrlosen“ wurde) zielt auf Bubers Auffassung der absoluten, selbstlosen Tat. Im Zentrum stand für Sommer das Wesen der jüdischen Gemeinschaft. Den Verkaufserlös gab er an Organisationen zum Aufbau Israels nach Palästina. Die erste Ausgabe erschien im Dezember 1944 bei El Libro Libre in Mexiko. Der tschechoslowakische Botschafter Zdenĕk Fierlinger brachte ein Exemplar nach Moskau, wo 1945 eine jiddische Ausgabe erschien. Neben der englischen Übersetzung 1946 erschienen eine hebräische in Tel-Aviv 1946, eine tschechische 1947 und eine niederländische 1950. Die Ausgabe des Ostberliner Dietz-Verlags erreichte ab 1946 über 60 000 Exemplare.
Wie viele kontinentale Exilanten des 19. und 20. Jahrhunderts las Sommer regelmäßig in den reichhaltigen Quellen des British Museum. Als erster wertete er hier den Briefwechsel zwischen Luther und Thomas Müntzer aus für sein Buch Die Sendung Thomas Müntzers. Taboritentum und Bauernkrieg in Deutschland. Er betont tschechisch-deutsche Gemeinsamkeiten, erinnert an freiheitliche Revolten und versucht den extrem deutschfeindlichen Aktivitäten Robert Vansittarts etwas entgegenzustellen. Der historische Roman erschien 1948 in Ostberlin, 1951 in Prag und leitete die intensive offiziöse Müntzer-Renaissance der DDR ein. In diese "Renaissance" passte auch Sommers Buch Das Leben ist die Fülle, nicht die Zeit. Eine Porträtstudie Ulrich von Huttens.
Die historische Fähigkeit der Böhmen zu friedlicher Koexistenz und eigenständiger toleranter Religiosität schilderte der Autor in dem romanartigen Geschichtswerk Tausend Jahre böhmischer Geschichte, das von 1944 bis 1946 als fast 500-seitiges Typoskript entstand und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts berichtet. Für diese Auftragsarbeit zahlte die Exilregierung ein monatliches Voraushonorar.
Mit Bühnentexten versuchte sich Sommer zum ersten Mal 1921 mit einem Legendenspiel über Jan Hus. Zwei Komödien gingen verloren. Für ein deutschsprachiges Theater in London entstand 1944 in Zusammenarbeit mit Egon Larsen (Lehrburger) die Szenenfolge Die Geduld der Armen über Sommers Lieblingslyriker Franςois Villon. 1951 wurde das Stück im Berliner Theater am Kurfürstendamm mit der Musik von Theo Mackeben uraufgeführt. Die Materialien verarbeitete Sommer zu der Biographie Villon. Bild einer Zeit und eines Menschen, die zuerst auf Tschechisch (1948) und dann auf Deutsch (1949, Ostberlin) gedruckt wurde, während englische Verlage die Mischung aus Geschichtsschreibung und Fiktion ablehnten.
Selbstmordgedanken und Verzweiflung des Verfassers sind dem Londoner Gegenwartsroman von 1947 über einen heimatlosen Anwalt aus einer „deutsch-böhmischen“ Stadt, Erpresser aus Verirrung, eingeschrieben. Das Buch erschien 1949 gleichzeitig in Wien und Zürich und wurde 1950 in 54 Folgen in der Münchener Abendzeitung gedruckt und nochmals 1958 und 1977 in der DDR. Die tschechische Übersetzung 1963 wurde von Vojtĕch Cvek im Iglauer Jiskra (26.7.1963), von Petr Pujman in Literárni noviny (14.9.1963) und anonym in Rudé Právo (Román vyhnance, 16.8.1963) besprochen.
Nach dem Scheitern einer Rückkehr in seine tschechoslowakische Heimat schilderte Sommer nochmals einen Vielvölkerstaat mit einem friedliebenden, kunstliebenden Herrscher in dem Kurzroman, einem period piece, Antinous oder Die Reise eines Kaisers (1955). Die (platonische) Liebe des Kaisers Hadrian (76-138) zu dem jugendlichen Griechen Antinous wird in die Aura eines Goldenen Zeitalters getaucht. Sommer stellt den Tod des Jungen im Nil (130) als freiwilligen Opfer- und Liebestod dar. Den eingeblendeten jüdischen Aufstand unter Simon bar Kosiba (132-135) beschrieb der Erzähler parallel zu den terroristischen Kämpfen der Israelis gegen die Palästinenser, die er ablehnte. Das Buch sollte dem Prager Verlagsbetreuer gewidmet werden, der von den Deutschen ermordet wurde: „Vincy Schwarz, dem Freunde unter den Toten“.
Der 60-jährige chronisch kranke Sommer schrieb noch einen schlichten historischen Roman über das Verhältnis von Krankheit und künstlerischem Schaffen. Er ließ sich dabei von Stefan Zweigs Buch Die Heilung durch den Geist (1931) anregen, in dem Franz Anton Mesmer (1734-1815) und sein Heilmagnetismus als eine Art früher Analogie zu Sigmund Freud behandelt werden. Mesmers Heilexperimente sind vor allem durch da Pontes und Mozarts Parodie in Cosi fan tutte (1790) bekannt geworden. Die Titelfigur des Romans Das Fräulein von Paradis (26 Folgen in der Berliner Zeitung Sonntag, als Buch 1951 in Nürnberg erschienen) ist eine blinde Sängerin, die nach ihrer Heilung so enttäuscht ist von der Welt, dass sie sich erfolgreich ihre Blindheit zurückwünscht und damit auch ihre Gesangskunst erneuert.
Die 1930 in Eger spielende Erzählung Der Richter ohne Gnade, die autoritären Sadismus aus der Perspektive des Richter-Sohns darstellt, fand keinen Verleger.
Auch die Versuche, 1954/55 für das 142-seitige Hillel-Manuskript aus dem Jahr 1941 einen Verleger in Israel zu finden, scheiterten. Das Werk sollte Martin Buber gewidmet werden.
So blieb das Buch Das Leben ist die Fülle, nicht die Zeit. Eine Porträtstudie Ulrich von Huttens, als eine Art Fortsetzung der Müntzer-Biographie, Sommers letztes zu Lebzeiten gedrucktes Werk. Es erschien 1955 im Aufbau-Verlag in der DDR.
Im selben Jahr starb der Schriftsteller im Exilland. Auf dem Londoner Friedhof Hampstead liegt er begraben.
Die wissenschaftliche Erforschung der Werke begann mit der Dissertation Ernst Sommer. Leben und Werk (1969) der Goldstücker-Schülerin Vĕra Macháčková-Riegerová. Das grundlegende Werk für die kommenden Jahrzehnte veröffentlichte der Frühwald-Schüler Stefan Bauer: Ein böhmischer Jude im Exil. Der Schriftsteller Ernst Sommer (1988-1955). (Jürgen C. Thöming)